Geschichte des Fischotters

Der Fischotter hat ein bewegtes Jahrhundert hinter sich: Noch bis weit ins 19. Jahrhundert war der Fischotter weitverbreitet. Ab ca. 1880 wurde er als Nahrungskonkurrent in grossen Teilen von Europa praktisch ausgerottet. Seit einiger Zeit aber nehmen die Bestände wieder zu. Doch noch ist die Art nicht über den Berg: In einigen Regionen Europas konnte sich die Art bisher noch nicht wieder etablieren. Anderswo beginnen die Konflikte bereits wieder von Neuem.

Weitgehend unbehelligt
Bis spät ins 19. Jahrhundert war die Art in Europa weit verbreitet. Mancherorts wurde der Fischotter gar gezähmt und für die Fisch- und Entenjagd abgerichtet. Doch wurden Fischotter jagdlich genutzt: Ihr dichtes Fell war begehrt, und da sie von der katholischen Kirche als “Fisch” deklariert waren, konnte man ihr Fleisch als Fastenspeise konsumieren. Bei Fischzüchtern und Fischern galt der Fischotter wohl schon seit immer als Schädling. Quellen zeigen, dass der Fischotter mancherorts mindestens seit dem 14. Jahrhundert von von spezialisierten Jägern lokal bekämpft wurde. Insgesamt aber blieb der Einfluss auf die Bestände durch diese Otterjagd bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts gering.

Rückgang im 19. & 20 Jahrhundert
Im Jahre 1888 setzten sich verschiedene Politiker aus volkswirtschaftlichen Gründen für eine Änderung des Fischereigesetzes ein. Um die Fischereierträge zu heben wurde im Artikel 22 beschlossen dass „fischereischädliche Tiere“ in der Schweiz ausgerottet werden sollen. In der Folge wurden hohe Prämien für das Erlegen von Fischottern ausgesetzt. Es fanden Kurse über die Fischotterjagd statt, Schlagfallen wurden auf Staatskosten angeschafft und den Jägern abgegeben. Zudem kamen staatliche Fischotterjäger zum Einsatz. Um die Jahrhundertwende wurden rund 130 Fischotter pro Jahr erlegt.

 Schon ab 1913 ging die Jagd auf den Fischotter massiv zurück und die jährlichen Strecken betrugen kaum mehr als 10 Tiere. Nach langjährigen Bemühungen von Naturschützern wurde der Otter 1952 unter Schutz gestellt. Zu diesem Zeitpunkt schätzte man den Bestand gesamtschweizerisch auf max. 150 Tiere. Auch das Jagdverbot konnte den Rückgang des Fischotters nicht mehr stoppen. Am längsten haben sich die Fischotter im Neuenburger- und Bielerseegebiet, in Graubünden und im Tessin gehalten. Der letzte Nachweis eines wildlebenden Fischotters in der Schweiz wurde 1989 am Neuenburgersee erbracht.

Eine Studie des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft kam 1990 zum Schluss, dass die Belastung der Gewässer durch das Umweltgift PCB (Polychlorierte Biphenyle) mitverantwortlich für das Aussterben des Fischotters in der Schweiz sei. Durch die Nahrungsfische aufgenommene PCBs verringerten den Fortpflanzungserfolg drastisch. Doch die Verschmutzung der Gewässer alleine kann nicht der einzige Grund gewesen sein. Wahrscheinlich ist es, dass die Veränderungen des Lebensraumes ebenfalls eine Rolle beim Verschwinden des Otters gespielt haben. Durch die Trockenlegung von Gewässern und Feuchtgebieten ging für den Fischotter wichtiger Lebensraum verloren. Die Korrektion von Fliessgewässern und der Kraftwerkbau veränderten den Lebensraum nachhaltig und beeinflussten die Fischbestände negativ.

Alle diskutierten Ursachen des Aussterbens sind Vermutungen. Neueste Untersuchungen weisen darauf hin, dass mehrere Faktoren zum Aussterben führten und dass die Zusammenhänge wissenschaftlich nicht nachgewiesen sind.

Die Situation heute
Seit 2009 werden in der Schweiz vermehrt Tiere gesichtet oder nachgewiesen. Dabei spielt die Entwicklung der Otterpopulationen in den Nachbarländern eine grosse Rolle: In Frankreich ziehen einzelne Fischotter der Rhone flussaufwärts. Das eine oder andere Individuum aus dem Bestand in der Haute-Savoie hat sich bereits über die Schweizer Grenze getraut. Rascher voran schreitet die Wiederbesiedlung der östlichen Alpen: Die Bestände in Österreich breiten sich gegen Westen aus. So sind 2017 Fischotter aus Österreich in die Schweiz eingewandert. Als Vernetzungsachse kommt dem Inn dabei eine tragende Rolle zu.