Umweltgifte

Der Fischotter ist auf sauberes und gesundes Wasser angewiesen. Als Topprädator am Ende der Nahrungskette ist er besonders empfindlich gegenüber toxischen Chemikalien, die in der Natur nicht oder nur langsam abgebaut werden. Vor allem fettlösliche Stoffe werden in der Nahrungskette angereichert. Dabei kann der Gehalt von solchen Stoffen in Fischen bereits 100’000-fach erhöht sein – und dieser Gehalt steigt weiter um ein Vielfaches im Fischotter. Neben organochlorierten Pestiziden und PCBs, die heute verboten sind, werden viele andere synthetisch hergestellte Stoffe in die Gewässer eingetragen, die einzeln nicht immer eine substantielle Bedrohung sind, aber durch die  Menge und durch die Kombination von Stoffen sehr toxisch auf viele Wasserlebewesen wirken und damit auch den Fischotter gefährden.
Indem wir auf diese Stoffe möglichst weitgehend verzichten und Alternativen nutzen, tragen wir zu einem intakten Lebensraum für den Fischotter bei.

Unter anderem schädigen folgende Stoffe den Fischotter direkt oder beeinträchtigen die Wasserlebewesen, inkl. Fische:

  • Persistent organic pollutants (POP)
  • Pflanzenschutzmittel
  • Rodentizide
  • Tierarzneimittel
  • Schwermetalle

Untenstehend finden Sie ausführlichere Informationen zu diesen Umweltgiften.


 

Persistent organic pollutants (POP)
POP heissen auf Deutsch “persistente organische Schadstoffe”. Es sind künstlich hergestellte Chemikalien. Da sie fettlöslich sind, können sie sich im Körperfett anreichern. Es sind volatile Stoffe, die nach ihrer Freisetzung über Wasser aber auch über die Luft global verbreitet werden können. Heutzutage werden POP in entlegenen Gebieten wie die Antarktis, aber auch beispielsweise in Alpseen gefunden. Viele POP sind krebserregend. Sie schwächen das Immunsystem und können zu Unfruchtbarkeit oder Missbildungen des Fötus führen. Zu den POP, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts in wachsenden Mengen in die Umwelt gelangten, zählen die Werkstoffe aus der Gruppe der PCB (polychlorierte Biphenyle) sowie diverse Insektizide wie DDT, Dieldrin und Aldrin. Diese Gifte gelten als eine der Hauptursachen für den Rückgang des Fischotters in vielen Teilen seines ehemaligen Verbreitungsgebiets. Viele POP sind heute verboten (Stockhom Convention on persistent organic pollutants), doch als langlebige Stoffe sind sie nach wie vor in der Umwelt vorhanden. Länder, die das Abkommen nicht ratifiziert haben, produzieren diese Stoffe weiterhin.

Skiwachs für Langlaufski kann schädigende Stoffe beinhalten, die über den Schnee in das Wasser gelangen. Foto: Irene Weinberger

Nicht alle POP sind verboten und neue  Stoffe sind dazugekommen. Neue POP umfassen PBDE (polybromierte Diphenylether) sowie PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). Zu den PFAS gehören PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroctansäure). Sie schmutz-, wasser- und fettabweisend und werden erst bei 1000 Grad Celsius zerstört. Entsprechend beliebt sind sie in der Industrie. Man sie in Feuerlöschschäumen, Outdoor-Kleidern, Zahnseide und Schmiermitteln. PFAS sind toxisch, krebserregend und führen zu Schädigung an Lunge und Leber, aber auch zu Verhaltensänderungen und erhöhter Sterblichkeit.Während die PFOS in der Schweiz bereits verboten sind, wird PFOA beispielsweise in der Schweiz im Skiwachs eingesetzt. Das wirkt sich auf die Fischwelt aus: In einer Studie an Fischen aus den Engadiner Seen wurde bei 25 % aller Tiere eine Belastung mit PFOA nachgewiesen. Bei den Proben aus dem Silsersee, wo jeweils der Skimarathon startet, war beinahe jeder zweite Fisch belastet. Insbesondere Äschen wiesen hohe Konzentrationen auf.
Von POP ist der Fischotter weiterhin betroffen:  PCB, PBDE und PFOAs werden in pathologischen Studien in Fischottern nachgewiesen – auch in aktuellen Untersuchungen, obwohl viele der Stoffe seit Jahren verboten sind.

 

Stoffe, die tödlich für Insekten, Pilze und Pflanzen sind, entfalten ihre Wirkung auch im Wasser. Foto: Irene Weinberger

Pflanzenschutzmittel
Herbizide, Fungizide und Insektizide werden in Landwirtschaft und Privathaushalten angewandt. Gelangen diese Gifte ins Gewässer, wirken sie weiter. So ist die Sterblichkeit von Bachflohkrebsen – eine wichtige Beute für viele Fische – durch die Belastung der Gewässer durch Pflanzenschutzmittel (PSM) erhöht. Viele Insektizide sind auch für Wirbeltiere schädlich. Versuche ergaben, dass sich Fische in belasteten Gewässern weniger bewegen, weniger fressen und ein vermindertes Fluchtverhalten zeigen. Besonders gross ist die Belastung von Pestiziden in kleinen Gewässern. In der Schweiz wurden 128 Wirkstoffe von PSM in kleinen Gewässern nachgewiesen. Bei 32 Stoffen lag die Konzentration über den Grenzwerten, die aufgrund von ökotoxikologischen Kriterien festgelegt wurden. Die direkten Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf den Fischotter sind weitgehend ungeklärt. Hingegen ist der Fischotter indirekt von der Abnahme der Wasserinsekten betroffen: Wo Wasserinsekten fehlen, mangelt es an Nahrung der Fische. Und ohne Fisch kein Otter.

 

SGARs sind hochgiftig und töten nicht nur Mäuse und Ratten. Foto: Roland Fischer/wikimedia

Rodentizide
Rodentizide werden für die Bekämpfung von Nagetieren wie Ratten oder Wühlmäuse genutzt. Häufig kommen Mittel zum Einsatz, die die Blutgerinnung hemmt. Es sind die sogenannten second generation anticoagulant rodenticides (SGAR). In der Schweiz werden vornehmlich die Stoffe Bromadiolon, Difenacoum, Brodifacoum, Flocoumafen und Difethialon genutzt. Diese Gifte sind sehr effizient: schon eine einmalige Aufnahme reicht aus, um das Tier zu töten. Die SGAR sind unspezifisch und hochtoxisch, bauen sich schlecht in der Umwelt ab und reichern sich in Lebewesen an. Obschon die Handhabung in der Schweiz eigentlich strikt geregelt ist, können Produkte mit diesen Inhaltsstoffen ohne Auflagen gekauft werden. Rodentizide werden normalerweise nicht an Gewässern genutzt, doch finden sich unterdessen vermehrt Spuren von SGARs in Gewässern und in Fischen. Fischotter sind ebenfalls betroffen.

 

40-90 % der Arznei scheidet das behandelte Tier wieder aus. Foto: Irene Weinberger

Tierarzneimittel
Tierarzneimittel werden eingesetzt, um Krankheiten von Tieren zu heilen, lindern oder auch zu präventiv zu verhüten. Allerdings scheiden die behandelten Tiere 40-90% der Mittel oder deren Abbauprodukte wieder aus. Über die Gülle gelangen die Stoffe anschliessend aufs Feld und damit in die Umwelt. In Deutschland konnten in einer Studie über 150 Mittel in der Umwelt nachgewiesen werden. Durch Regen, Erosion oder über Drainagen gelangen die Stoffe ins Gewässer.
Unter den Arzneimittel sind Antibiotika, Antiparasitika und hormonell wirkende Stoffe besonders umweltrelevant. Antibiotika hemmen das Wachstum von Pflanzen, Plankton und Grünalgen. Antiparasitika schädigen Wasserinsekten, Krebstiere und Fische. Letztere sind auch stark von hormonell wirkenden Stoffen betroffen. Zwar werden diese Wirkstoffe meist in niedrigen Konzentrationen in der Umwelt gefunden, allerdings sind die Risiken aufgrund der lückenhaften Kenntislage nicht bekannt.

 

Schwermetalle
Einmal freigesetzt, bleiben Schwermetalle in der Umwelt. Eines davon, das Quecksilber, geriet schon früh in den Fokus rund um den Fischotter und andere Otterarten. Es schädigt das zentrale Nervensystem und löst Koordinationsstörungen bis hin zur Paralyse aus. In einem Fütterungsexperiment mit stark belasteten Fischen starben Nordamerikanischen Flussotter (Lontra canadensis) innerhalb von sechs Monaten. Ähnliche Symptome zeigten auch wilde Fischotter in Schottland in den 90er Jahren: Sie torkelten herum, bewegten sich unkoordiniert in Kreisen und verendeten dann. Bei der Obduktion fand man Quecksilber in hohen Dosen in ihrem Körper.

Anreicherung von Quecksilber im Fischotter. Bild: Dibbern et al. 2021

Schwermetalle finden sich auch heute in Fischotter. Eine im Jahr 2021 erschienene dänische Studie, wies bei 25 % der über hundert untersuchten Fischotter eine Belastung in der Leber nach, die mit negativen Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem assoziiert wird.
Fischotter sind jedoch nicht nur mit Quecksilber belastet. In einer Studie aus England aus dem Jahr 2020 wurden in Fischotter auch Belastungen mit Eisen, Zink, Kupfer, Selen, Chrom, Cadmium, Blei, Nickel und Silber nachgewiesen. Zwar lagen diese Werte unter den berechneten toxischen Konzentrationen, doch sind es Warnzeichen auch für uns. Wie der Fischotter sind auch wir Topprädatoren und wie er kumulieren sich in unseren Körpern ebenfalls Schwermetalle. Und nicht nur grosse Konzentrationen machen es aus: Werden Schwermetall über längere Zeit in niedrigen Dosen aufgenommen, kann das zu chronischen Entzündungen führen.